Dienstag, 2. Oktober 2012

Es geht nicht um Transparenz - es geht um KONTROLLE!!

Gerd Altmann  / pixelio.de
"Transparenz" ist ja irgendwie ein schönes Modewort geworden - aber so ganz klar, was es bedeuten und wie weit die Transparenz dann gehen soll, ist sich ja nicht einmal die Piratenpartei selbst. Zumindest wird dies nicht wirklich klar kommuniziert.

Dass "Transparenz" und "Datenschutz" bzw. Schutz von Privat-, Intimsphäre und Vertraulichkeit sich regelrecht in Teilen ausschliessen, habe ich an anderer Stelle bereits angesprochen

Politische Entscheidungen sollen für den öffentlichen Auftraggeber namens "Bürger" NACHVOLLZIEHBAR sein, heisst es. 

Aber nennen wir das Kind doch einfach beim Namen, anstelle die ganze Zeit um den heissen Brei drum herum zu reden: Es geht um Kontrolle! Die Politik soll besser kontrolliert werden können.

Nimmt man das Souverän als Auftraggeber der ausführenden, richtenden, entscheidenden, lenkenden und eingreifenden Staatsgewalten ernst, dann ist die Forderung von einer Kontrolle auch wirklich legitim! 

Da stellt sich auch gleich die Frage, ob die sogenannte "Freie Presse" in ihrer bisherigen und jetzigen Form ihrer Aufgabe als Kontrollinstanz der Staatsgewalten gerecht werden kann. Oder, welche Kontrollinstanzen der Oberkontrolleure haben wir sonst? Wo ist die Notbremse, wenn das System mal "ausser Kontrolle" gerät? Doch nicht etwa nur GG Art 20, 4?

Irrwitzig ist dagegen der Trend, den Auftraggeber, das Volk kontrollieren zu wollen!?!? Müssen nicht zunächst diejenigen kontrolliert werden, die alles andere kontrollieren wollen?

Wenn wir uns darauf einigen können, dass "Transparenz" EIN MITTEL ist, um Kontrolle ausüben zu können, dann fällt es uns auch leichter die Transparenz anhand dessen zu beschreiben, wofür diese ein Werkzeug sein soll. Gleichzeitig wird uns auffallen, dass es noch weitere Mittel und Möglichkeiten braucht, um effektiv kontrollieren zu können - und Transparenz "nur" ein (wenn auch bedeutender) Teil dieser Kontrollfunktion ist.


"Transparenz ist in der Politik ein Zustand mit freier Information, Partizipation (!) und Rechenschaft im Sinne einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems und den Bürgern. Damit eng verbunden ist die Forderung nach Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip.

Die gläserne Kuppel des Reichstagsgebäudes – ein Symbol der Transparenz in der Politik." (Wikipedia)

Einerseits kann uns das aktuelle Thema der Abgeordnetenbestechung deutlich zeigen, dass Transparenz alleine nicht genügt, sondern auch Rechenschaft und Haftung benötigt werden. Wir könnten soviel Transparenz haben, wie wir wollen - wenn eine Verfehlung nicht zur Rechenschaft gezogen und ein Politiker nicht haftbar gemacht werden kann, ist auch die Transparenz für die Katz.

Andererseits macht Transparenz der Politiker auch keinen Sinn, wenn diese im Sinne eines Überwachungsstaates ausgeführt wird. Der "Gläserne Staat" gegenüber dem "Gläsernen Bürger" war ja eine ganz nette Forderung - aber in der Realität können wir nicht einfach Gleiches mit Gleichem vergelten, Politikern jegliches vertrauliche Gespräch absprechen und jetzt diese rund um die Uhr bewachen. 

Die geforderte Transparenz muss dem Bedürfnis der Kontrolle über die politischen Entscheidungen und Abläufe, also der Nachvollziehbarkeit, absolut dienlich sein - mehr aber auch nicht.

Ich verstehe ja, dass die irrsinnige Forderung nach dem Gläsernen Bürger das Gegenteil auf den Plan ruft. Aber vielleicht erkennen wir ja auch, dass die Menschlichkeit völlig verloren geht, wenn wir diese Forderung nach absoluter Transparenz auf den Menschen (ob nun Bürger oder Politiker) beziehen. Es ist und bleibt ein Überwachungsstaat, ob wir nun die Politiker absolut überwachen, oder die Bürger. Die Grenze ist einfach schwimmend und die Gefahr jeweils Groß, dass dies in ein totalitäres System überschwappt. 

Kurz: Die Forderung nach Gläsernen Menschen - ob nun Politiker, Unternehmer oder einfach Bürger - ist falsch und gefährlich. Das Einzige, was gläsern sein muss, ist sozusagen die Software mitsamt Daten, die Abläufe, die Entscheidungsfindungen und sämtliche Einfluss nehmende Faktoren. Die "Maschine", das "System" muss gläsern und nachvollziehbar sein, nicht der Mensch. Des Menschen Grundrechte, seine Privat- & Intimsphäre - aber auch seine vertraulichen persönlichen, politischen und geschäftlichen BEZIEHUNGEN sind schützenswert. 

Man kann dies sehr wohl und sauber trennen, denn sobald diese Beziehungen zu entscheidenden politischen Faktoren geworden sind, müssen diese natürlich INHALTLICH und FAKTISCH auf den Tisch. Darüber hinausgehend sollte es jedem selbst überlassen bleiben, wieviel Einblick in die eigene Beziehungswelt und vertrauliche Gespräche gewährt wird. 

Hinzu kommt, dass die Piraten zwar von Bürgerbeteiligung sprechen, den Bürger aber bislang in ihre Abläufe in keiner Weise eingebunden haben. Die Basisdemokratie endet bei den Piraten bei ihrer eigenen Partei. Wie die Piratenpartei den Bürger in die Willensbildung und Entscheidungsfindung einbeziehen möchte, bleibt die Piratenpartei noch schuldig (oder habe ich etwas verpasst?).

Der einzige Punkt, wo die Bürger als solche teilhaben können, ist die Transparenz der Piratenpartei. Wer Lust hat, sich durch tausende Online-Dateien zu blättern, der kann sich zumindest über das informieren, was von den Piraten an Daten veröffentlicht wird. Das ist sicher nicht wenig Material, viel Aktuelles und so einiges von dem, was auch transparent publiziert werden sollte - aber es ist schwer bis unmöglich auffindbar für Nicht-Eingeweihte. Es ist in jedem Landesverband (und teils pro Politiker) an anderer Stelle - insgesamt in einem riesigen Datenchaos.

Die Komplexität von Transparenz und Kontrolle, die erst durch unser modernes Informationszeitalter so realistisch und mächtig geworden ist, deutet darauf hin, dass dies Teile der Kulturrevolution sind, an deren Anfang wir stehen. Diese multimediale Kulturrevolution ist auch gleichzeitig der Urgrund der Piratenpartei selbst - ein Heimspiel sozusagen.


Passender Weise beschreibt Dirk Baecker die aktuelle Kulturrevolution, die alles Bisherige auf den Kopf stellen wird (wie einst der Buchdruck), als gekennzeichnet durch Reaktion in Form von "Kontrolle".

>>> weiter!

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