Montag, 1. Oktober 2012

Auf dem "Scoop" segeln ...


Im Original ist ein Scoop nur die erste Meldung zu einem Thema. Relevant ist dieser Scoop wohl nur, wenn durch diesen ein gewisser "Hype" durch die Medienwelt geht und somit auch eine bedeutende Reichweite angesprochen wird. 

Aus Sicht einer einzelnen Pressemeldung versucht jede PM selbst diesen Scoop - und sich als die originäre Meldung - darzustellen. 

In Wirklichkeit können Pressemeldungen, die selbst NICHT die Primäre sind, eigentlich nur noch abschreiben, das Thema aufwendig aus einem seltenen Blickwinkel betrachten und zusammen fassen, einzelne Elemente der medialen Welle referenzieren und zu einer eigenen Meldung zusammen basteln.

Rainer Sturm  / pixelio.de
Muss es dazu noch schnell gehen, weil das Thema sonst "out" und der Hype vorbei ist (also keine Zeit für eine sauber recherchierte Pressemeldung bleibt), dann wird nur schwer ein Artikel entstehen, von dem Journalisten Textblöcke oder Inhalte nutzen werden. Wahrscheinlich ist sowas nichtmal eine Nennung wert.

Man sollte bei Pressemeldungen bedenken, dass es absolut nicht darum geht, dass der komplette Text möglichst exakt wiedergegeben (also kopiert) wird - sondern die Aufmerksamkeit des Journalisten zu wecken und zu bündeln, um zumindest erwähnt zu werden bzw. im Bewusstsein zu bleiben!!

Die primäre Zielgruppe für Pressemeldungen besteht aus Journalisten. Pressearbeit ist eigentlich eine Art Dienstleistung für die Presse. Erst in zweiter Ebene werden die Leser, Zuschauer, Konsumenten bedient.





Nicht nur die Journalisten schreiben ab bzw. übernehmen ganze Blöcke von Agenturen - besonders die Pressemeldungen selbst hinken hinter dem "Scoop" hinterher. 

Der Erste, der eine Presselawine auslöst, hat meist reines Glück gehabt. Dann folgen noch 1-2-3 gut recherchierte oder gar gut formulierte Artikel - aber dann ist das Ende vom eigentlichen Journalismus erreicht. Alle anderen Pressemeldungen zum gleichen Thema schreiben voneinander ab - und langweilen, ein Beitrag mehr als der andere.

Im Alltag sieht es in einer Redaktion dann so aus, dass man sich Sätze und Blöcke aus ein paar Pressemeldungen rauspickt und im Prinzip einen Artikel wie Bauklötzchen zusammen "pastet". Einzelne Überleitungen oder Umformulierungen werden in die Tastatur getippt. Wenn Zeit ist, wird das Eine oder Andere noch gegoogelt, eine Referenz überprüft - und fertig ist der "professionelle Journalismus".


Katharina Scherer  / pixelio.de
Das bedeutet für Presse-Abteilungen, dass man aus einem ganzen Haufen Meldungen (zum gleichen Thema) herausstechen - und den Journalisten im Bewusstsein bleiben - muss. 

Viele Pressemeldung werden in PR-Abteilungen in einer Art und Weise geschrieben, als sei diese Pressemeldung die einzige, die der Journalist auf den Tisch bekommt. Und selbst wenn dem so wäre, so muss dieser Journalist die Meldung in seinem Hause meist gegen reine Boulevard-Vorstellungen, das Ansprechen von menschlichen Instinkten und bereits vorfinanzierte Positionierungen erkämpfen. 

Machen sich Schreiberlinge von Pressemeldungen ein Bild vom journalistischen Alltag? Viele sind geradezu hypnotisiert vom Thema und Inhalt der aktuellen Pressemeldung und blicken nicht über den Tellerrand der Anknüpfungspunkte hinaus.


Wenn man an diesem Wandel in der Medienwelt nichts zu ändern vermag, sollte man dies nicht einseitig kritisieren - sondern eher nutzen: Indem man sich selbst ändert.

Folgende Vorteile für Pressemeldungen ergeben sich aus dieser Schieflage der "Freien" Presse:
  • Journalisten sind geradezu angewiesen auf gute Textbausteine.
  • Journalisten freuen sich über kurze thematische Einführungen.
  • Journalisten kann ein Großteil der Arbeit abgenommen werden, wenn eine exzellente Linkliste mit Kurzeinführungen und vorgefertigten Textbausteinen versehen wird.

Faustregel sollte sein:
Wenn kein Scoop erzeugt werden kann (man mit der eigenen Pressemeldung nicht der exklusive Erste ist), dann konzentriert man sich auf die Aufgabe der Pressearbeit, Dienstleister für die Presse zu sein.  Man verabschiedet sich von dem Bedürfnis unbedingt eine vollständige Pressemeldung zu formulieren und konzentriert sich auf folgende Punkte:

  • Das Thema für Journalisten so verständlich, kurz und knapp wie möglich formulieren.
  • Die bisherigen Meldungen in der Medienwelt, soweit diese erwähnenswert sind, werden nicht nur referenziert - sondern die wichtigsten zentralen Sätze werden vor-zitiert.
  • Diese so entstehende Linkliste wird möglichst in einer sinnigen Reihenfolge angeordnet (die praktisch einen Artikel ergibt).


  • Die Überschrift (Headline) bleibt wie in normalen Pressemeldungen und erzeugt zunächst "nur" Aufmerksamkeit.
    Dabei lohnt es sich manchmal zu bedenken, dass die Journalisten die primäre Zielgruppe sind - und sowieso eine eigene Headline entwickeln werden.

  • Der "Oneliner", der die wichtigsten "W-Fragen" (Wer-was-wann-wieso-weshalb-warum-...) abdeckt, beschränkt sich in diesem Fall möglichst wirklich auf nur eine Zeile.

    Spätestens an dieser Stelle sollte dem Journalisten klar sein, zu welchem "Hype" die Pressemeldung gehört. Hier geht es wirklich nur darum, dass die Pressemeldung zugeordnet werden kann.

  • Die eigene Kernaussage, vielleicht auch ein Zitat, wird möglichst in einem Satz abgehandelt. Da man sowieso nur (bestenfalls) mit einer Erwähnung rechnen kann, formuliert man die Erwähnung so exakt wie möglich vor.

    Reiht man sich dabei in eine ganze Serie von Pressemeldungen anderer Quellen ein, dann übernimmt man die gemeinsame Forderung und Positionierung. So erleichtert man es dem Journalisten, die Erwähnung im Zusammenhang mit den konkurrierenden Pressemeldungen aufzugreifen. Gleichzeitig festigt man derart geradezu einen Zwang, diese Gemeinsamkeit vieler Pressemeldungen, auch wirklich zu publizieren. Auf die anderen Pressemeldungen geht man an dieser Stelle allerdings nicht ein, denn dies ist im folgenden und letzten Block am besten aufgehoben.

    Wichtig ist: In diesem Block ausnahmslos originäre Meldungen unterzubringen und nicht dem Drang zu verfallen, unbedingt eine vollständige Pressemeldung formulieren zu müssen. Jeder einzelne Satz, der hier untergebracht wird, darf NICHT in anderen Pressemeldungen und Publikationen vorkommen - muss einen wirklichen Mehrwert für die Journalisten darstellen, publiziert zu werden! Es ist okay - sogar sinnvoll - wenn dieser Block nur aus einem Satz besteht (ansonsten befindet sich an dieser Stelle die gesamte Pressemeldung!).

  • Der wichtigste Abschnitt in dieser Form von Pressemeldungen ist die Aufzählung von Quellen, die ein Journalist für einen Artikel zum Thema nutzen sollte.

    Die zentralen Inhalte aus den Quellen werden herauskopiert und sinnvoll aneinander gereiht.

    Es ist beabsichtigt, dass dies bereits wie ein Artikel aus Zitaten wirkt. Jedoch sollte dies keinen "Artikel aufzwängen". Lieber man setzt ein paar mehr Links, um dem Journalisten mehr Gefühl zu geben, auswählen und insgesamt schnell einen eigenen Artikel basteln zu können.

    Die Links sind hierbei im besten Falle klickbar und nicht in der vollen URL sichtbar. Wenn die Links in voller URL angegeben werden müssen, dann sind diese in einem zusätzlichen Block unterzubringen und über Zahlen oder Buchstaben den Zitaten zuzuordnen.

Es gibt verschiedene Bereiche, meist in der Wirtschaft, wo sich in der Art und Weise alle kopieren. Das nennt man dann "Standard" und eigentlich weiss keiner so genau, warum dies so ist. Man vergleiche zum Beispiel einfach mal die Bewerbungen und Lebensläufe in üblichen Betrieben - mit denen von Designern und Künstlern. Es ist vielleicht nicht angebracht bei der Bewerbung auf einen Posten in der Verwaltung einen ausklappbaren, vielseitigen und von Hand gemalten Lebensweg mit Meilensteinen einzuschicken - aber in manchen Fällen lohnt es sich sehr wohl aus einem ganzen Stapel von Papier positiv herauszublicken.

Gerd Altmann  / pixelio.de
In diesem Fall habe ich mich einerseits an die übliche Formatierung von Pressemeldungen gehalten. Andererseits wird das übliche Format absolut gesprengt, wenn man dies möchte - und es für den Einzelfall angemessen ist. 

So kann man die Form wahren, um auf Presseportalen publiziert zu werden - und gleichzeitig die Form sprengen. Man kann auch einfach wie gehabt Pressemeldungen formulieren und diese Matrix nur als Anregung für die einzelnen Abschnitte bzw. eine effektivere Wirkung nutzen. Die hier formulierten Wirkungen auf die Journalisten sollten sein:

  • Die Pressemeldung bzw. der Herausgeber wird als zentrale Quelle für die notwendige Recherche zu einem Artikel betrachtet.
  • Der Herausgeber wird somit für die Arbeit gewertschätzt und mit Sicherheit nicht vergessen zu erwähnen - oder gar in Ausschnitten zu zitieren.
  • Über die Zeit wird die herausgebende Stelle zu dem zentralen Ort der Recherche und journalistischer Arbeit.

>>> Gutes, knappes Beispiel von netzpolitik

Folgeartikel (in kürze): Vom "Scoop" zum "Mem"

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