Montag, 10. September 2012

Art. 146 GG und die Piratenpartei

Bereits mehrfach wurde im LQFB der Bundespiraten eine Initiative zur Umsetzung von Art. 146 des Grundgesetzes gestartet.

Bislang hat keine Initiative das Quorum von 10 % erreicht - oder ist gar positiv abgeschlossen worden.

Persönlich bin ich für die Umsetzung von Art. 146 GG, da erst dies für mich der Selbstbestimmung entspricht und Fremdbestimmung nicht nur krank macht, sondern gar Gewalt erzeugt. Wer sich mit seinen Gesetzen identifizieren kann, da er diese mitbestimmt - die Gesetze zumindest nachempfinden kann, der kann sich auch authentisch daran halten. Dies ist erschwert oder nahezu unmöglich, wenn sich der verfassungsgebende Prozess dem Einzelnen regelrecht entzieht. Es folgt Über- oder Unterordnung, was zu Gewalt führt (siehe auch ~> "Politische Kommunikation").

Die Frage, WIE Art. 146 GG jedoch genau umgesetzt werden soll, ist berechtigt und spannend ...

Als Antwort auf die Initiative
"sonstiger Parteitagsbeschluss #1746" im LQFB erfolgte diese interessante Gegen-Initiative:


"Das Grundgesetz ist kein Provisorium. Schon lange nicht mehr gewesen. Wer so etwas immer noch behauptet, muss die letzten 60 Jahre fernab jeder Bibliothek in einer Eso-Höhle verbracht haben. Zu behaupten das deutsche Volk würde um sein Recht betrogen seine Verfassung zu ändern, oder sich eine neue zu geben, ist entweder ignorant oder böswillig.
Das deutsche Volk wählt den Bundestag. Teil des Grundgesetzes, Teil unserer Verfassung ist der Artikel 79, der den Bundestag, den Gesetzgeber, auffordert das Grundgesetz zu ändern. Das ist bereits über 60 mal geschehen. Und wird hoffentlich auch noch öfter passieren.


Durch die Änderbarkeit wird sichergestellt dass die Werte und Wünsche der Gesellschaft und die des Grundgesetzes nicht zu weit auseinanderdriften. Änderungen sind natürlich aber nicht ganz einfach. Einerseits gilt es Tagespolitik aus dem Grundgesetz rauszuhalten, andererseits gibt es wenige Texte, bei denen einzelne Buchstaben so viel Aufmerksamkeit erhalten. Und dann zieht Art 79 III als direkte Folge aus der historischen Entstehungsgeschichte eine absolute Grenze, die nur mit einer komplett neuen Verfassung umgangen werden kann und darf.

Was sind die drängenden Fragen unserer Zeit, die es nun nötig machen sollen diese Grenze zu überschreiten? Oder überhaupt erst die Debatte um diese Grenzen zu beginnen? Warum sollten wir als Gesellschaft die demokratische, soziale, föderale Republik als Ideal anzweifeln? Warum sollten wir das zentrale Dogma des Grundgesetzes, die unbedingte Menschenwürde, zur Verhandlungsmasse erklären?

Diese Fragen will ich vorher beantwortet haben. Schon alleine um sicherzugehen, dass ich hier nicht einem Not-invented-here-Syndrom aufsitze. Und die bisher gegebene Antwort "Weil der Art 146 GG da ist!" ist keine Antwort. In der aktuellen Law-and-Order-Stimmung habe ich keine Lust Steigbügelhalter für eine neue Verfassung zu spielen, nur um "auch mal was getan" zu haben.

Zum Verfassungsgeber spielen gibt es Ortsverbandssatzungen."


i3744: Europa 2.0

Die Piratenpartei hat sich mit dem Piratenappell pro Europa (Q065) mit großer Mehrheit pro-europäisch positioniert. So heißt es dort:

“Daher appellieren wir an alle europäischen Piratenparteien und Piraten, an alle europäischen Parteien und mit besonderem Nachdruck an alle Europäer, sich intensiv mit der institutionellen Zukunft Europas auseinanderzusetzen und insbesondere die Möglichkeit eines durch eine gemeinsame Verfassung konstituierten, demokratischen europäischen Rechtsstaates zu erwägen, der den Bürger in den Mittelpunkt seines Handelns stellt - ein Europa der Bürger und Regionen.”

In den letzten Monaten ist die Notwendigkeit eines Schrittes in diese Richtung stark gewachsen. Es ist unverzichtbar, dass die Piraten sich in dieser wohl wichtigsten politischen Frage der Gegenwart ganz klar positionieren und eine Perspektive aufzeigen, wohin es mit Europa gehen soll. Das Beschwören des unmittelbaren Weges in die Diktatur und eine kategorische Verweigerungshaltung sind hierfür nicht hilfreich. Nicht immer bewahrt man das, was man hat, indem man jede Veränderung am status quo blockiert.



Weitere bisherige Anträge, die sich auf Art. 146 GG beziehen:


Interessante Formulierungen in einem weiteren Antrag, der sich zwar nicht auf Art. 146 bezieht - aber ein Referendum für Änderungen des GG fordert (Quorum nicht erreicht):

Das Grundgesetz ist ein Vertrag zwischen den "Beherrschten" und den "Regierenden". Da wir in einer Demokratie leben sollten die Regierenden die Meinung des Volkes in einer gewissen Art und Weiße widerspiegeln. DIe Verfassung, unser Grundgesetz, ist die Grundlage unserer Fügung und Akzeptanz in das Rechtssystem. Zwar wurde nie über das Grundgesetz vom Deutschen Volk abgestimmt, jedoch hat es in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz gewonnen, da es die Grundrechte der Menschen in Deutschland schützt, oft gegen die Beschlüsse des Bundestages und Bundesrates. 

Jedoch kann der Staatsvertrag einseitig verändert werden. Zwar schützt das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz, aber auch nur solange es Konflikte mit bestehenden Grundgesetzen gibt. Wird also die Verfassung geändert, so gleicht dies einem neuen Vertrag zwischen Volk und Regierung. Eine Einseitige Vertragsänderung ist in der Regel im Geschäftsleben nicht möglich (außer zuvor so im Vertrag festgehalten), so sollte dies auch auf Politischer Ebene gelten. 

Ziel
  • Zum Schutz der Demokratie soll dass Volk generell über Grundgesetzänderungen die vom Bundestag beschlossen wurden abstimmen dürfen.
Durchsetzung
  • Die Piratenpartei möge eine Petition an den Bundestag erstellen beziehungsweise unterstützen.
https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/1756.html 
Bild: Gerd Altmann / all-silhouettes.com  & pixelio.de

Entfernt sich die Piratenpartei von den Bürgern?

  • Werden die Bürger aktuell noch gefragt?

  • Bei welchen Fragen und politischen Entscheidungen müssen die Bürger eigentlich zwingend gefragt werden?
    • Sind die Bürger bei politischen Entscheidungen, die Leib und Leben der Bürger gefährden, zu fragen?
      (zB. Atommüll Endlager, Kriegseinsätze, ...)

  • Zu welchen Entscheidungen sind Volks- & Bürgerbegehren prinzipiell durchzuführen?
    (zB. gravierende Grundrechtsbeschneidungen, Veränderungen am Grundgesetz)
     
  • Wie wird mit Antworten der Bürger umgegangen oder vielleicht besser verfahren?
  • Wie positioniert sich die Piratenpartei, wenn der Bürgerwille klar ist (und die aktuelle Politik dem zuwider handelt)?
Aktuell ist der Fokus der Partei sehr nach INNEN gerichtet und das ist sicher auch gut so. Dabei sollte die ureigentliche Aufgabe der Vermittlung zwischen Bürgerwille und Politik nicht vergessen werden.

Mehr noch, wenn die Piratenpartei eigentlich einen Lösungsweg hat (und nicht unbedingt DIE Lösungen) - sich Lösungen stets aus diesem Lösungsweg ergeben, erneuern und basisdemokratisch wandeln (optimieren!) können, dann sollte der Lösungsweg vor lauter Einzellösungen nicht vergessen werden. 

Diese Tendenz ist allerdings bereits spürbar. Hoffentlich geht bei aller Demokratisierung auch der Piratenpartei (plötzlich 20.000 mehr Mitglieder, die nicht unbedingt den hohen Anspruch teilen?) der Lösungsweg, der sich praktisch mit allen mündigen lösungsorientierten Bürgern an einen Tisch setzt, als Prämisse nicht flöten ...

Die "Freie Presse" ist keine Staatsgewalt - die "mediale Gewalt" ist ein Naturgesetz

Das Zeitalter der Neuen Medien bricht über uns herein und stellt, vergleichbar einer Naturgewalt, alles bislang Dagewesene auf den Kopf.

Die Neuen Medien tun dies einerseits deshalb, weil mit ihnen eine Kultur-Revolution an unsere Tür klopft ... und ihnen von Natur aus die "Freie Presse" innewohnt, die auch als "Vierte Gewalt" oder Kontrollorgan der Staatsgewalten beschrieben wird.

Als Naturgewalt handelt es sich gleichzeitig bei den Grundprinzipieln, wie z.B. der Freien Presse, um ein Naturrecht, aus dem sich rechts-philosophisch alle weiteren Menschenrechte und Gesetze ableiten lassen sollten. Recht, das den Naturgesetzen und somit dem Naturrecht wiederspricht, wird sich zwangsläufig irgendwann an der Natur orientieren, wenn dies demokratisch kommunikativ vom Volk verfassungsbildend gesetzt werden kann.
Der Rechtsphilosophie des Naturrechts steht der Rechtspositivismus gegenüber - und beide können heutzutage von einer Systemtheorie des Rechts ergänzt werden.


Aber auch die Möglichkeiten eines Volkes, sich kommunikativ zu verständigen und gar zu einigen, gemeinsam die Welt nach den gemeinsamen Vorstellungen zu gestalten, verfassungsgebend als Souverän zu wirken - sind dem Menschen und Kommunikations-Medien innewohnende Naturrechte.

Handelt es sich hierbei auch um Naturgesetze, dann kommen die Menschen zwangsläufig irgendwann zu dem Punkt, sich austauschen und einigen zu können - oder gar zu müssen ... unabhängig davon, wieviel versucht werden würde, dies zu verhindern. 

Als Naturgewalt würde sich der Wille des Einzelnen über Synergien mit den Wünschen ganzer Gruppen einigen. Die Menschen würden irgendwann - vorausgesetzt sie kommunizieren, lernen und bündeln Ergebnisse in Medien - zu einem Bild einer gerecht funktionierenden Welt kommen und diese Vorstellungen auch umsetzen wollen.

Natürlich kann es auch hinausgezögert werden, dass sich die Menschen einigen - auch Umwege und weitere Entzweiungen sind vorstellbar ... aber irgendwann werden sich Teilnehmer einer immer mehr vernetzten Welt auch immer mehr zusammen rutschen, kennenlernen und Wege finden, die auf den geringsten Widerstand stossen.

Es wird unmöglich sein, dass sich alle Menschen in wirklich allen Punkten einig sind - aber es gibt sehr wohl abstrakte Ziele, wie zB. Frieden, auf die man sich einigen könnte - soweit sich auch die Frage stellt, wie mit Gegnern des Friedens zu verfahren wäre. Soweit wir davon ausgehen können, dass die Menschen in ihren wirklichen Wünschen weit besser zusammen passen, einen Planeten zu teilen - als wenn diese gegen ihre eigentlichen Lebenswünsche leben - bleibt die gemeinsame Lösungsfindung das wichtigste Ziel. Dabei muss nicht zwangsläufig die Lösung gefunden werden, auf die sich alle einigen können - sondern vielleicht der Weg, der am wenigsten Ablehnung erzeugt (systemisches Konsensieren).

Bildmaterial: Gerd Altmann / pixelio.de

Die Piratenpartei hat nicht eine Lösung - die Piratenpartei hat einen Lösungsweg!!

Das ist eigentlich ein himmelweiter Unterschied und erkllärt auch, warum sich ein Lösungsweg keiner Ideologie unterwerfen kann - sondern rein technisch bleiben muss.

Der Lösungsweg der Piratenpartei ist die Grundannahme, dass wir Menschen zu den richtigen Lösungen kommen können, wenn wir uns über Probleme und Alternativen kommunikativ, offen, transparent und vor allem basisdemokratisch austauschen, forschen - und wissenschaftlich aussortieren.
Dabei sind auch Fehler erlaubt, wenn diese eingestanden und korrigiert werden. 

Die Neuen Medien erlauben uns dabei zum ersten mal in der Geschichte, uns nicht nur in einem Land kommunikativ zu einigen und zur Lösungsfindung das Potential eines ganzen Landes zu nutzen - sondern theoretisch sogar zu globalen demokratischen Ergebnissen zu kommen.

Natürlich kommt eine Demokratie nur dann zu den besten Lösungen für jedes Problem,
wenn einerseits das volle Potential aller Fachleute und Inspirationen genutzt wird - und andererseits diese in einer Weise kommuniziert werden können, die jeder versteht und somit auch jeder wählen kann. 

Ansonsten kann es passieren, dass die beste Lösung von der besten Präsentation unterdrückt und verdrängt wird - und so lange vergessen bleibt, bis die Zusammenhänge allgemeinverständlich im Alltagsbewusstsein der Menschen angelangt sind.


Die Piratenpartei bringt uns Menschen somit das Selbstbewusstsein und Vertrauen zurück, dass wir wirkliche politische Lösungen für unsere lokalen und globalen Lösungen finden und umsetzen können. 

Somit könnten wir auf halbe und Scheinlösungen verzichten, von denen bislang meist nur wenige Menschen profitieren. Wir könnten uns davon verabschieden den anwachsenden Problemberg nur zu verwalten und aufzuschieben, wenn aus den vielen Alternativen die wirklich guten Lösungen herauskristallisiert und realisiert werden.

Die Piratenpartei traut somit dem mündigen Bürger in aller Konsequenz, sich organisieren und verwalten zu können. Dies geht allerdings nur, wenn dank "Freier Presse" und Aufklärung ein Bewusstsein für die möglichen Lösungswege und Alternativen besteht. 

Dafür hat die Piratenpartei eine ganze Reihe an technischen Werzeugen für multimediale Kommunikation und stellt einige sogar zur freien Verfügung, zB. Wiki, Forum, Twitter, Liquid Feedback, ...

Was bislang allerdings fehlt, das sind Werkzeuge für die Kommunikation selbst, für gewaltfreie Kommunikation, Lösungs- & Konsensfindung.


Bildmaterial: Benjamin Thorn  & Gerd Altmann / pixelio.de
 

Warum sollten wir als Volk den Staat kontrollieren?

Die Kontrolle der Staatsgewalten hat eigentlich nur sekundär etwas damit zu tun, Missbrauch auszuschliessen. Absolut betrachtet will das Volk gewährleisten, dass die Welt gestaltet wird, wie wir diese wirklich wollen. 

Jeder einzelne Mensch will sich ausdrücken - und wir als Volk und Bürger wollen uns ausdrücken. Man könnte behaupten, die Kommunikation selbst sei primär dafür da, dass wir das Zusammenleben selbstbestimmter und selbstausdrückender Individuen in ihren Grundzügen organisieren und miteinander klar kommen können.

Medien transportieren diese Kommunikation auf der Suche nach dem, was wir wirklich wollen - aber auch deren (Zwischen-) Ergebnisse. So gesehen ist auch die Verfassung "nur" ein mediales Zwischenergebnis der kommunikativen Kraft an und für sich. "Zwischenergebnis" deshalb, weil in einer Demokratie die verfassungsgebende Kraft dem Volk imanent innewohnt und praktisch jederzeit ausgeführt und angewandt werden kann.

Man könnte behaupten, dass Kommunikation (und sei diese zunächst mit sich selbst) zwangsläufig darauf hinaus läuft herauszufinden, was man eigentlich wirklich will - was Gruppen wirklich wollen und wie diese organisieren können, dass z.B. eine Welt in ihrem Sinn gestaltet wird. 

Wenn wir unsere Welt gemeinsam gestalten wollen, sind wir auf Kommunikation und mediale Zwischenergebnisse von Gruppen, Ländern oder gar den Erdbewohnern angewiesen. Medien sind somit nicht nur das, was wir Menschen als Einzelner ausdrücken - sondern auch Ausdruck unserer gemeinsamen Wünsche und Abneigungen. 

Finden die Menschen - und sei dies nur in einem Land - zu einem Ergebnis dessen, was diese wirklich wollen und wie dies zu organisieren ist - dann ist dies zweifelsohne ein kommunikativer und multimedialer Prozess... auch wenn dies Medium eigentlich "Verfassung" genannt wird.

Unter der Kontrolle des Staates und seiner Staatsgewalten verstehen wir folglich die sinnvolle Kombination seiner Einzelteile und deren kommunikative Interaktion zu einem Gesamtergebnis, das uns entspricht. Dazu benötigen wir Medien (die o.g. Freie Presse) um uns über die Einzelteile des Staates und unserer Welt zu informieren, diese kombinieren, informieren und lenken zu können - sofern wir ein Ergebnis wünschen, das von unserem Willen ausgeht.

Photos: Benjamin Thorn & Gerd Altmann  / pixelio.de