Dienstag, 23. Oktober 2012

Kurz-Analyse des Datenschutz-Programms der Piratenpartei

"Die moderne freiheitlich-demokratische Gesellschaftsform wurde in der Vergangenheit auch unter Einsatz zahlloser Menschenleben erkämpft und verteidigt." Ein toller Satz, der da gleich am Anfang vom Thema Datenschutz auftaucht. Ich vermisse diesen Satz an geeigneter Stelle - möglichst am Anfang des Programms, zB. wo die Demokratie selbst als aktuell beste Gesellschaftsform (für die Piraten) positioniert wird.

Es ist durchaus legitim mit den Ängsten der Menschen zu arbeiten, wenn es sich um eine reale Gefahr handelt. Daher passt der folgende Absatz ganz gut. Es könnten nur auch gleichzeitig die Ängste, die für eine Überwachung in's Feld gezogen werden, ausgehebelt werden: 

"Allein das 20. Jahrhundert kennt in Deutschland zwei Diktaturen, deren Schrecken wesentlich durch den fehlenden Respekt vor dem einzelnen Menschen und durch allgegenwärtige Kontrolle gekennzeichnet war. Von den technischen Mitteln heutiger Zeit haben aber die Diktatoren aller Zeiten nicht einmal zu Träumen gewagt. Die überwachte Gesellschaft entsteht momentan allein dadurch, dass sie technisch möglich geworden ist und den Interessen von Wirtschaft und Staat gleichermaßen dient. Die Piratenpartei sagt dieser Überwachung entschieden den Kampf an. Jeder einzelne Schritt auf dem Weg zum Überwachungsstaat mag noch so überzeugend begründet sein, doch wir Europäer wissen aus Erfahrung, wohin dieser Weg führt, und dahin wollen wir auf keinen Fall."

Den ersten Satz des kommenden Absatzes würde ich an das Ende des Absatzes stellen, damit dieser mehr zur Geltung kommt und klar wird, was damit gemeint wird, dass der Staat gegen den Bürger agieren könnte. Ansonsten kommt der Satz ein wenig aus der Luft gegriffen. Man sollte annehmen, dass der Staat für - und nicht gegen - den Bürger agiert (bzw. er prinzipiell nicht gegen den Bürger zu agieren habe). Ein gesundes Misstrauen gegen den Staat ist angebracht, aber auch hier sollte die Unschuldsvermutung gelten.

"Systeme und Methoden, die der Staat gegen seine Bürger einsetzen kann, müssen der ständigen Bewertung und genauen Prüfung durch gewählte Mandatsträger unterliegen. 

Wenn die Regierung Bürger beobachtet, die nicht eines Verbrechens verdächtig sind, ist dies eine fundamental inakzeptable Verletzung des Bürgerrechts auf Privatsphäre. Jedem Bürger muss das Recht auf Anonymität garantiert werden, das unserer Verfassung innewohnt. Die Weitergabe personenbezogener Daten vom Staat an die Privatwirtschaft hat in jedem Falle zu unterbleiben."

Zum letzten Satz: Darf der Staat personenbezogene Daten an Privatpersonen, NGOs, ... etc. oder intern zwischen Ämtern beliebig weitergeben?

Dem kommenden ersten Satz würde ich das Beispiel der eMails anfügen, da vielleicht nicht jeder Bürger ausserhalb des Internets gleich versteht was gemeint sein kann.

"Das Briefgeheimnis soll erweitert werden zu einem generellen Kommunikationsgeheimnis. 

Zugriff auf die Kommunikationsmittel oder die Überwachung eines Bürgers darf der Regierung nur im Falle eines sicheren [Anm.: BEGRÜNDET?] Verdachts erlaubt werden, dass dieser Bürger ein Verbrechen begehen wird. In allen anderen Fällen soll die Regierung annehmen, ihre Bürger seien unschuldig, und sie in Ruhe lassen. Diesem Kommunikationsgeheimnis muss ein starker gesetzlicher Schutz gegeben werden, da Regierungen wiederholt gezeigt haben, dass sie bei sensiblen Informationen nicht vertrauenswürdig sind."

Der letzte Satz, dass Regierungen bei sensiblen Daten nicht vertrauenswürdig sind, stimmt vielleicht. Aber wenn man ein prinzipielles Misstrauen gegen alle Regierungen hegt, sollte man das vielleicht direkt formulieren? Ich glaube der Satz gehört entschärft: "dass bei sensiblen Daten ein gesundes Misstrauen auch gegenüber dem eigenen Staat angebracht ist"?!?

Sehr gut:
"Speziell eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten widerspricht nicht nur der Unschuldsvermutung, sondern auch allen Prinzipien einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft. Der vorherrschende Kontrollwahn stellt eine weitaus ernsthaftere Bedrohung unserer Gesellschaft dar als der internationale Terrorismus und erzeugt ein Klima des Misstrauens und der Angst. Flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Räume, fragwürdige Rasterfahndungen, zentrale Datenbanken mit unbewiesenen Verdächtigungen sind Mittel, deren Einsatz wir ablehnen. "

Informationelle Selbstbestimmung

"Das Recht des Einzelnen, die Nutzung seiner persönlichen Daten zu kontrollieren, muss gestärkt werden. Dazu müssen insbesondere die Datenschutzbeauftragten völlig unabhängig agieren können. Neue Methoden wie das Scoring machen es erforderlich, nicht nur die persönlichen Daten kontrollieren zu können, sondern auch die Nutzung aller Daten, die zu einem Urteil über eine Person herangezogen werden können. Jeder Bürger muss gegenüber den Betreibern zentraler Datenbanken einen durchsetzbaren und wirklich unentgeltlichen Anspruch auf Selbstauskunft und gegebenenfalls auf Korrektur, Sperrung oder Löschung der Daten haben."


Die Piratenpartei verwendet recht häufig Begriffe, die dem Bürger nicht unbedingt vertraut sind - im letzten Absatz z.B. Scoring. Es sollte prinzipiell ein Weg gefunden werden, der aus einem Programm durch Links und Verweise gleichzeitig ein Lern- & Informationsmedium macht. Auch wird nicht klar warum Datenschutzbeauftragte unabhängig sein müssten, inwiefern diese aktuell abhängig sind - und was dies ändern würde.

"Erhebung und Nutzung biometrischer Daten und Gentests erfordern aufgrund des hohen Missbrauchspotentials eine besonders kritische Bewertung und Kontrolle von unabhängiger Stelle. Der Aufbau zentraler Datenbanken mit solchen Daten muss unterbleiben. Generell müssen die Bestimmungen zum Schutze personenbezogener Daten die Besonderheiten digitaler Daten, wie etwa mögliche Langlebigkeit und schwer kontrollierbare Verbreitung, stärker berücksichtigen. Gerade weil die Piratenpartei für eine stärkere Befreiung von Information, Kultur und Wissen eintritt, fordert sie Datensparsamkeit, Datenvermeidung und unabhängige Kontrolle von personenbezogenen Daten, die für wirtschaftliche oder Verwaltungszwecke genutzt werden und damit geeignet sind, die Freiheit und die informationelle Selbstbestimmung des Bürgers unnötigerweise zu beschränken." 

Sorry, den Satzteil versteh ich nicht: Gerade weil die Piratenpartei für eine stärkere Befreiung von Information, Kultur und Wissen eintritt,
Was für eine Befreiung?




Im folgenden Positionspapier fällt mir nur ein leicht missverständlicher Satz auf, den ich rot markiert habe (welches Amt bekommt Einsicht in welches Amt?):

Datenschutzfreundliche Regelungen für Empfänger von Sozialleistungen


Einleitung

Zur Zeit muss ein Empfänger von Sozialleistungen wie z.B. ALGII (Hartz IV) oder Grundsicherung im Alter regelmäßig seine persönlichen Verhältnisse über Vermögen und Lebensweise detailliert offenlegen, um Leistungen nach den SGB zu erhalten. Die Piraten fordern, dass beim Umgang mit Sozialleistungsempfängern zukünftig Datensparsamkeit Einzug hält und die generelle Unterstellung eines Generalverdachtes an Bezieher von Sozialleistungen unterbleibt.

Position

Die Piratenpartei fordert, dass Sozialbehörden den gleichen Standards unterworfen werden, denen andere Exekutivbehörden Deutschlands unterliegen. Insbesondere dürfen keine Datenabgleiche und -anforderungen ohne richterlichen Beschluss und einen begründeten Verdacht durchgeführt werden. Ähnlich wie es einem Steuerprüfer gestattet ist, einen Datenzugriff lediglich für steuerlich relevante Daten vorzunehmen, sollten die für die Bearbeitung der sozialrechtlichen Ansprüche zuständigen Behörden nur Zugriff auf die sozialrechtlich relevanten Daten erhalten. Vergleichbar zum Finanzamt sollen hierbei nicht jeder Sachbearbeiter, sondern nur eigens dafür qualifizierte Prüfer, ähnlich dem Steuerprüfer, stichprobenartig die Anträge überprüfen und bei Verdacht eines Betruges entsprechende staatsanwaltschaftliche oder richterliche Überprüfungen veranlassen können. Sicherlich ist es notwendig, auch im Sozialrecht dem Staat eine Kontrollmöglichkeit zu eröffnen. Diese darf aber nicht so weit gehen, dass jeder Empfänger von vorneherein quasi unter "Betrugsverdacht" steht und in der Folge jeder Sachbearbeiter mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet ist, die sonst nur Ermittlungsbehörden und die Staatsanwaltschaft innehaben. Ein genereller Zugriff auf alle relevanten Daten, die der Bürger beim Staat hinterlegt hat, ist im Sinne der Datensparsamkeit weder notwendig noch ratsam. Als Gegenbeispiel sei hier das Vorgehen der Finanzämter genannt: Hier werden im Abstand von bis zu 10 Jahren nur die steuerlich relevanten Daten überprüft und dies auch zumeist nur bei buchhaltungspflichtigen Betrieben, nicht bei jedem Bürger. Die automatische und routinemäßige Kontrolle aller zugänglichen Daten der Leistungsempfänger in Abständen von 6 Monaten halten wir für völlig überzogen. Kein anderer Beamter hat einen ebenso umfassenden Datenzugriff wie die Mitarbeiter in den Sozialbehörden. Von Zentralregister für KFZ-Anmeldungen bis zur Kapitalertragssteuer können alle Sachbearbeiter jederzeit Zugriff auf die Daten nehmen.

Zusammenfassung

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass auch die Leistungsempfänger nach dem SGB das Grundrecht der Unschuldsvermutung zurückerhalten und keine Daten willkürlich erhoben werden. Wir wollen, dass das SGB diesbezüglich angepasst wird und auch die entsprechenden Verordnungen nach datenschutzrechtlichen Standards gestaltet werden.

Appell

Jeder Bürger hat das Recht auf Privatsphäre und Unschuldsvermutung. Nur weil jemand Sozialleistungen empfängt, darf ihm dieses Grundrecht vom Staat nicht leichtfertig genommen werden. 



Fazit:

Gegenüber dem Transparenz-Programm ist der Bereich Datenschutz deutlich flüssiger zu lesen und inhaltlich konsistenter. Auch hier könnte sich empfehlen die eigentlichen Forderungen deutlich hervor zu heben (In eigenen Sinnzusammenhängen und Absätzen behandeln).

Eine Analyse, ob alle wesentlichen Aspekte abgedeckt sind, die sich auch aus der Transparenz ergeben, wird noch folgen. Der Datenschutz für Politiker, also die Stellung zum Gläsernen Politiker, fehlt zB.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen