Mittwoch, 19. März 2014

Grenzverletzungen und ihre politische Heilung

Eine der wichtigsten politischen Antworten auf "Nazis" und alle anderen grenzverletzenden Menschen muss BILDUNG und eine heilsame Kommunikationskultur sein. 

Dies ist auch die Grundlage, auf der die Meinungsfreiheit erst recht für Menschen mit anderen, mir fremden, feindlichen oder gar menschenfeindlichen Positionen gelten muss. Dahinter verbirgt sich nämlich - neben der Bildungsferne - ein verletzter und manchmal auch ernsthaft kranker Charakter (Mensch!).

Diesen erreichen wir nicht mit Druck, Gewalt und Belehrungen - selbst mit Bildung dürften wir uns schwer tun. Was aber geht, das ist das Herausfinden, um welche Ängste und Schmerzen es wirklich geht. In einer heilsamen und menschlich wohlgesonnenen Gesprächkultur zeigt sich dann hinter der Maske des Chauvinisten die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes (oder eben die Schmerzen des Arbeitsmarktes), die Angst vor dem Verlust des Wohn- & Lebensraumes (oder eben die Schmerzen eines Lebens auf der Strasse), die Angst vor Gewalt aufgrund real erfahrener Schmerzen und Grenzverletzungen, ... usw.

... alles durchweg politische Themen, die sich unter der Maske und Schale der Grenzverletzer zeigen, wenn man das Wagnis eingeht und sich für diese als Mensch interessiert und hinter die scheinbar so starke Schale der Parolen blicken will. Nach Aussen und vor allem zur Öffentlichkeit gewandt müssen wir stark sein - oder zumindest so tun - und das alles nur, um unsere Schwäche und Menschlichkeit zu kaschieren.

Eigentlich ist es unglaubwürdig mit einem autoritären Habitus gegen Autorität zu plärren - aber genau diese gesellschaftliche Schizophrenie ist unser Alltag. Die Art und Weise unseres Kampfes hat sich von den Positionen gelöst und kämpft mit den gleichen Waffen des Menschen und des Mensch-seins selbst. Und natürlich gibt es unterschiedliche Gründe, weshalb wir zu den Waffen der Worte und Taten greifen und diese legetimieren. Selbstverständlich ist es immer wieder wert einen uralten politischen Diskurs aufzuwärmen und frisch zu servieren, wann welche Form von Volks-, Natur- und Wortgewalt angebracht und legitim ist. So etwas hält unsere Staatsgewalt des Rechtsstaates und die selbst gesetzten Grenzen jung und frisch. Also los! Der Ringkampf der Worte muss nicht eröffnet werden, war ja auch nie verschlossen - und besteht nur aus unseren eigenen Hürden und Blockaden.

Wir können nicht Gelder für Bildung und Soziales bis zum Anschlag streichen und uns dann wundern, dass die Kälte aufzieht und ein sozialer Klassenkampf unser persönliches Wohnzimmer erreicht - oder wir, nicht nur sprichwörtlich, vor der eigenen Haustüre mit der Sozialen Arbeit beginnen müssen. By the way lässt sich mit Diätenerhöhungen ein allgemeiner (sozialer!) Sparkurs nur schwer glaubhaft kommunizieren.

Natürlich kann man den Grenzverletzern auch anders begegnen, ihnen das Wort verbieten, sie angreifen und noch eine Verletzung oben drauf geben (schliesslich verletzen sie ja und eine Antwort könnte Verletzung sein). Dank Internet sind diese Verletzungen jetzt ja auch rein virtuell möglich. Aber das ist dann eben kein politischer, kein parlamentarischer Weg - und dafür gibt es ja auch die geeigneten "NICHT-Strukturen".

Politisch ist das Wort, das Gespräch, die Entwicklung von Texten, das sich Fassen und Verfassen, die PR und Pressemeldung - nicht viel mehr. Einigen werden wir uns wohl eh' nie - aber konsensieren könnten wir noch.

Warum werden Mütter und Väter recht schnell zu dem, was sie nie werden wollen - zu den schlechten Eigenschaften vom eigenen Vater und / oder der Mutter? Warum werden wir Menschen so schnell zu dem, was wir selbst massiv ablehnen? Warum werden wir selbst, je mehr und energischer oder gar aggressiver wir etwas ablehnen, nur noch umso schneller selbst zu dem, was wir ablehnen? Und warum erkennen wir es erst so spät, dass wir zu dem geworden sind, was wir ablehnen? 

Weil wir es ablehnen, können und wollen wir es nicht sehen, dass wir es selbst in uns tragen bzw. zu dem entwickeln. Daher werden wir leicht auf den Augen unserer Ablehnung blind. Wir können es - gemessen an unserer (Art der) Ablehnung - nicht ertragen, selbst so zu sein. Es kommt uns garnicht in den Sinn, dass z.B. unsere Art der Ablehnung von autoritärem Verhalten selbst autoritär sein könnte. Die Ablehnung selbst, je mehr sich diese ÜBER das Abgelehnte stellt und die Augenhöhe verlässt, ist der Urgrund der Blindheit und Verdrängung. Eine Ablehnung sollte also nie die Augenhöhe gegenüber dem Abgelehnten verlassen, um nicht zu riskieren die eigenen chauvinistischen Tendenzen über die Maßen auszuleben und uns dessen garnicht mehr bewusst zu sein!

Aber warum werden wir erst und überhaupt zu dem, was wir ablehnen? Warum sind 70% der Gewalttäter selbst Opfer von Gewalt gewesen? Diese müssten es doch ganz besonders wissen?

Das hat viel mit (früh-)kindlichen Erfahrungen zu tun. In einem autoritären Haushalt lernten wir nicht unbedingt die Autorität, sondern uns unterzuordnen - oder auszubrechen und selbst über die Regeln zu stellen. Wenn wir als Kind nicht lernen, die Regeln in uns selbst zu entwickeln und unserem eigenen Gespür zu trauen, sondern Regeln aufgezwungen bekommen, dann lernen wir entweder die Unterordnung (und entsprechend nur durch Unterordnung Regeln vermitteln zu können) - oder das darüber Hinwegsetzen. In beiden Fällen verlieren wir den Draht zur Selbstbestimmung und diese an Kinder oder eben Parteimitglieder bzw. Bevölkerung vermitteln zu können. Auch der sogenannte Rebell, der sich nicht unterordnen möchte und auch nicht durch Unterordnung Regeln vermitteln möchte, ordnet letztlich unter, indem er sich über die Regeln selbst stellt.

Der Urkern des "Faschismus" ist demnach der Chauvinismus - das sich über andere Menschen, Glaubensrichtungen und Meinungen zu stellen bzw. das sich über die Lebensregeln insgesamt zu stellen. Der Urkern des Faschismus ist der Verlust der Selbstbestimmung - nicht unbedingt der eigenen Selbstbestimmung (man fühlt sich ja FREI in seinen eigenen Prägungen), sondern das Zutrauen dem Anderen, der anderen Meinung gegenüber, selbst auf die Lösung oder gar eine eigene Meinung kommen zu können. "Leider" ist die einzige Basis, in der sich heilsame Meinungen oder gar Meinungsänderungen entwickeln können, ein heilsames und grundsätzlich menschlich wohlwollendes Miteinander. Ein Teufelskreis...?!?

Dies hier ist übrigens nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern beruft sich auf die Forschungen zum Faschismus nach Adorno, Fromm und Gruen - wobei sich vor allem Letzterer auch den Grenzverletzungen linker Strömungen (dem sog. Rebellen) widmete. Der Rebell hat es etwas schwieriger seine eigenen Grenzverletzungen zu erkennen. Der Rebell tendiert dazu, sich an keine Regeln halten zu wollen - ohne zu erkennen, dass auch dies eine "Regel" ist...

Die Lösung könnte eine heilsame politische Kultur sein. Das wäre wirklich mal etwas "ANDERES"...



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