Sonntag, 4. November 2012

Ideologiebaukasten (Teil I: "Links" versus "Liberal")

(Vers. 0.2)

Liberal?!
Gerd Altmann / pixelio.de
Der "Freiheitsbegriff" des Liberalen ergibt sich einerseits aus der Fortentwicklung der Aufklärung auf dem Weg zum verantwortungsbewusst selbstbestimmten Souverän, der wissenschaftlichen Analyse, Erkenntnistheorie, der Überwindung von blinden Glaubenskriegen und Manipulation aus geschürten Ängsten - andererseits aus der neuen Freiheit von Raum, Zeit & Datenträgern, die uns die Kulturrevolution der Computerwelt geschenkt hat und aus der sich eine Realisierung von Publikative / Freier Presse (Bürgerjournalismus), Diskurs der Öffentlichkeit ("wisdom of the crowd") und ein mündiger Bürger erst ergeben können.

"LIBERAL" ist die Antwort auf das "WIE" - WIE wir etwas regeln wollen:
Freiheitlich-demokratisch, souverän.
 


Da sich das "WIE" auf die Art & Weise der Regelung bezieht, beginnt diese stets (bottom up) bei den kleinsten Einheiten, dem Individuum, den Gruppen und sozialen Verbänden (Familien), der Komune / Stadt, den Bundesländern, der Bundesrepublik - und von hieraus in unseren Aussenbeziehungen bis zum Globalen. Gesetze sind dabei nunmal hierarchisch, was ein weiterer Grund für möglichst unkomplizierte, einfach verständliche Regelungen und einen angemessen schlanken Staat sind.

Im Zuge der Globalisierung und vor allem der Kulturrevolution des Computers fielen von Menschen gemachte Grenzen. Plötzlich konnte man in Millisekunden um die Welt, bis in die Wohnzimmer und unter die nackte Haut der Rohdaten blicken. Tatsächlich mag dies ein Gefühl von Freiheit geben, wenn plötzlich der Markt dank Internet genauso grenzenlos sein kann, wie bislang nur die Kultur im Geiste grenzenlos ist.

Und natürlich hat auch der Markt FREI von sinnlosen Nationalstaatsgrenzen zu sein - aber nicht FREI von den Grundprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates. Im Gegenteil: Nichts benötigt überhaupt oder gar mehr Regelung, als das Zwischenmenschliche, der Handel und die Märkte - um die Freiheit des Individuums, des Menschen und seiner Natur zu wahren.

Der sogenannte "FREIE Markt" ist geregelt, in Deutschland z.B. durch das BGB und auch international durch Handelsgesetze. 
Der Markt ist nicht FREI von gesetzlichen Regelungen - der Markt ist nur FREI von Haftung (wie auch die Politik!). Und das ist fatal - geniessen Firmen doch auch Persönlichkeitsrechte!!

Das System ist aus dem Ruder gelaufen. Die Bürger gehören an das Steuer und die Politiker haben zu rudern!  

Alles darf und muss in Frage und auf den Kopf gestellt werden können - so lange wir uns an freiheitlich demokratischen Grundwerten und den Menschenrechten orientieren! 

Was will ich - was wollen wir - und wie organisieren wir das?  
Die Karten müssen offen auf den Tisch, denn wir kommen in die entscheidenden Runden ...

LIBERAL kann nicht bedeuten: keine Gesetze und kein staatliches Eingreifen.  
Wir haben einen Rechtsstaat und der sollte im richtigen Mass das richtige regulieren - nicht überregulieren, nicht das Falsche regulieren und nicht das Richtige zu halbherzig regulieren. 

Daher kann LIBERAL sehr wohl auch bedeuten, dass an verschiedenen Stellen mehr staatliches Eingreifen und sinnvolle Regelungen gefordert werden - und nicht nur ein Rückzug des Staates auf das notwendige und sinnvolle Minimum. LIBERAL muss zu einem Begriff für das richtige Maß an Regulierung an den richtigen Stellen werden!!

Und dafür müssen wir zunächst die bisherigen Regelungen, Einflüsse und Entscheidungen in Frage stellen! Auch aus den Kontroll- & Steuerungsfunktionen (Wahlen, Abstimmungen & Organen) des Souverän ergibt sich ein natürliches Misstrauen gegenüber dem Staat und seinen Funktionären, die aktuell keinerlei Haftung für ihr Handeln tragen.

Edit: Ich wurde darauf hingewiesen, dass sich meine Vorstelluungen vom "Liberalismus" mit dem "Ordoliberalismus" decken könnten. DANKE. Ich muss mich da erst einarbeiten und Vers. 0.3 dieses Textes vorbereiten :-)


Neoliberalismus

Der "Freiheitsbegriff" wurde durch den Neoliberalismus missbraucht! Es ging nie wirklich und effektiv und schon gar nicht nachhaltig um "freiheitliche Werte" - sondern immer nur um Abwesenheit von Staat und Regelung. 

Dem Markt - und in diesem Sinn dem "Gesetz des Dschungels" - sollte FREIE Hand gewährt werden. 
Dabei wurde dem Souverän, dem mündigen aufgeklärten Bürger, das Steuer und die Kontrolle entrissen. Die "unsichtbare Hand" des Marktes würde alles regeln. In Wirklichkeit sind dies die multinationalen Konzerne, die sich bereits im Dschungel etabliert haben und daher diesen auch weitgehend regeln, steuern und kontrollieren können. 

Die wirkliche "sichtbare Hand", die tatsächlich in der Lage ist zu regeln, das ist der von Habermas geforderte öffentliche Diskurs, der durch die von Kant geforderte Publikative (Transparenz) mit den notwendigen Informationen gefüttert werden muss. Das Souverän steuert, regelt und kontrolliert - und keine (erst recht keine unsichtbare und somit nicht greifbare) Hand. 

Wer steuert, eingreift oder gar manipuliert - der hat auch zu haften!!




Alan Greenspan gibt das Versagen seiner Ideologie bekannt ...


Sozial?!


"SOZIAL" ist das "WAS" - WAS wir regeln wollen: das Soziale (von lat. socius „gemeinsam, verbunden, verbündet“) im Sinn der wechselseitigen Bezüge als eine Grundbedingung des Zusammenlebens (der Menschen als sozialen Wesen) - konkret u.a. Bildungs-, Gesundheits- & SozialWESEN!

Es geht um NICHTS ANDERES als das SOZIALE, das im richtigen Maß gemeinsam zu ORGANISIEREN ist. 

Auch, wenn wir als Bürger etwas NICHT regeln wollen, dann ist es das SOZIALE und FREIHEITLICHE, dem wir den Freien Entfaltungsspielraum sichern. 

Auch diese Abwesenheit von Eingriff und Kontrolle z.B. in die Privat- & Intimsphäre des Bürgers, ist eine REGELUNG!!

Während sich das Liberale eher linear und hierarchisch vom Individuum (bottom up) bis zum Ganzen erstreckt, setzt das Soziale die Gleichheit und Geschwisterlichkeit aller Einzelteile voraus und erkennt somit die globale Verantwortung bei lokalem Handeln in vollem Umfang an. Dies ist vergleichbar mit der linearen Verästelung eines Baumes oder der hierarchischen Verantwortung der Eltern für die Kinder, die im Sinnbild des Baumes erkennt, eine Pflanze zu sein - sich bewusst ist, einen gemeinsamen Planeten zu teilen und erst in Frieden und Wohlergehen leben kann, wenn dies für alle gilt! Sozialliberal ist daher auch die Einigung von Gegensätzen zu sich ergänzenden Komplementären, der Einigung von linearer regelnder Hierarchie und radialer wohlwollender Gleichheit.

Da der Souverän mit der "sichtbaren Hand des öffentlichen Diskurses" steuert, regelt und kontrolliert, können wir uns die Frage stellen, was wir uns gemeinsam gönnen wollen und wie wir dies organisieren?! 
Gerd Altmann & dezignus.com / pixelio.de

Der Markt reguliert sich absolut nicht selbst, das neoliberale Märchen ist am Ende. Dem Markt sind genau da Grenzen zu setzen, wo sich dieser dank Profitgier über soziale Notwendigkeiten stellt und letztlich gegen den Menschen "handelt". 

Die Privatisierung von Verkehr, Öffentlichem Nahverkehr, Telekommunikation, Medien, Post, Wasser und auch Banken, hat sich nicht als sonderlich positiv erwiesen.  

Es sollte prinzipiell überdacht werden, welche Leistungen sich die Bürger eines Landes gönnen wollen und wie sich diese die Kosten und Vorzüge teilen - und vor allem, wie dies jeweils zu managen ist.

Die Frage ist nicht, wie wir etwas finanzieren! Die Frage ist, wie wir das organisieren, was wir gemeinsam beschliessen! 
Vielmehr ist die Frage was wir bereits finanzieren und warum überhaupt? 

Es sind die Bürger, die sich einen Mindestlohn geben oder über eine Steuer für Maschinen und Finanzspekulationen nachdenken. Wir sind es, die unsere Bildung finanzieren und für ein lebendiges Gesundheitswesen sorgen und es liegt an uns Bürgern die Ziele zu entwickeln, vorzugeben, aus Fehlern zu lernen und die Grundlagen für ein allseitiges Wohlergehen umzusetzen.

Wir befinden uns in einer Zeit, wo erstmals klar ist, dass für alle Menschen genügend Nahrungsmittel vorhanden sind. Die Maschinen und Roboter können uns die lang versprochene Freizeit freischaufeln. Stattdessen hungert ein Drittel der Weltbevölkerung und das Arbeitspensum, der Druck und die Belastung sind gestiegen. Diese Misswirtschaft zu meistern und den Grundstein für ein weltweites "menschenwürdiges Leben" zu legen, ist die Herausforderung der aktuellen Generationen.


Sozialistische Vergemeinschaftung


Gerd Altmann / pixelio.de
Tatsächlich macht es keinen Sinn nur die Schulden und Risiken der Banken zu vergemeinschaften - entweder die Banken und Anleger tragen ihr Risiko selbst und selektieren sich somit nach neoliberalem Kurs (den witziger Weise "Die Linke" fordert), oder auch die Vorteile der Geldschöpfung sind ebenso zu vergemeinschaften.

Aber wie auch immer - uns stehen zahllose Wege offen etwas zu finanzieren, das wir als Bürger als Ziel ersonnen haben. Die Vergemeinschaftung nach sozialistischem Vorbild ist dabei nur eine der denkbaren Möglichkeiten:


  • Wir können etwas sozialistisch vergemeinschaften
    • und gar enteignen
  • direkt über die gezahlten Steuern finanzieren.
  • oder indirekt:
    • über Subventionen
    • Steuererlass 
    • bzw. Fördermittel
  • Wir können aber auch eine zusätzliche Zwangskasse eröffnen nach GEZ-Vorbild  
  • eine Stiftung gründen, die rein einem Zweck dient
  • kommunale Genossenschaften gründen, wie z.B. bei lokaler Wasser- oder Energieversorgung
  • oder etwas einfach dem Freien Markt überlassen 
    • ... und darauf hoffen, dass sich Social Business / Social Enterprise Unternehmen gründen.
  • Wir können aber auch gleich eine Bank gründen und die Geldschöpfung im Sinne einer Förderung nutzen.

Mit Sicherheit gibt es für jedes zu finanzierende Ziel die richtige Art und Weise dieses umzusetzen. 

Natürlich werde ich dem Sozialismus nicht gerecht, wenn ich diesen nur auf das "Funding" von Gemeingütern reduziere. Aber überhaupt Gemeingüter, gemeinsame Finanzierung und Realisierung von Zielen durch die Bürger als Souverän in das Feld zu ziehen, erlaubt einen frischen Blickwinkel auf den "demokratischen Sozialismus". Dabei sollte auch bedacht werden, dass die Vergemeinschaftung von Banken und wirtschaftliche Fördermittel im Übermass für überfütterte Kanäle - also die jetzige Situation - sehr wohl sozialistische Züge aufweist, die in sich zu korrigieren sind!



Piratische Ideologiefreiheit

Ich bin immernoch der Meinung, dass die Piraten frei von "Ideologie" bleiben sollten. Das widerspricht nicht dem, dass die Piraten erst ihre "Idee" entwickeln, die aus der Kulturrevolution der Computerwelt geboren wurde und an deren Anfang wir erst stehen. Entwickelt sich aber aus dieser "Idee" eine "Ideologie", dann sage ich Stillstand, Kampf und Rückentwicklung voraus. Wie bei jeder bisherigen Ideologie, die nicht mehr im Geiste der Idee lebt, sondern blind und ohne Reflektion oder gar Weiterentwicklung dem Worte wie einem Führer folgt, wird der Boden für Massenmord und Vernichtung gesäht. 

Dennoch gefällt es mir, dass die Piraten mit einem Blick von Aussen als "sozialliberal" eingeschätzt werden, denn dies schenkt uns die Möglichkeit "Links", "Sozialdemokratie" und "Liberalismus" neu zu definieren und eingestaubtes Wählerpotential neu zu beleben. Und wir schenken den Bürgern die Möglichkeit, das aktuell noch unfassbare zumindest zu greifen - während wir uns die Gelegenheit geben zu reifen.

Neoliberalismus und Sozialismus haben als Ideologie und in ihrem Extrem zu Massenmord und Wirtschaftskrieg geführt. Als Begriffe kann man behaupten, dass diese "besetzt" und eigentlich unbrauchbar geworden sind. Aus meiner Sicht betrifft dies auch den Liberalismus, der zusätzlich als Sozialliberalismus von der FDP an die Wirtschaft verkauft und verraten wurde. Es würde unglaubliche Energie kosten sich von der Belastung der Begriffe zu befreien. Freiheitlich-demokratisch-souverän wäre mein vorläufiger Ersatz für Liberalismus. Auch die Sozialdemokratie ist ausgelutscht und verraten - für mich persönlich würde da eher der Begriff des Humanismus passen - also freiheitlich-humanistisch... wenn wir schon unbedingt auf alte und somit verständliche (aber ebenso bereits verwursteter) Begriffe zurück greifen und uns keiner völlig neuen Wortschöpfung hingeben wollen :-)

Wir könnten natürlich auch völlig verwirren und dennoch treu bleiben, als die Freiheitlichen Hedonisten ;-) 


Wichtigste Merkmale des Humanismus sind:
  • Der Mensch ist dem Menschen gleich, d.h. dass alle Menschen den gleichen Wert haben.
  • Individuum und Gesellschaft sind im Werte gleich, also weder die einzelne Person auf der einen Seite, noch die Gesellschaft auf der anderen Seite, sind mehr wert, als das jeweils andere.
  • Jedes Handeln soll sich am Glück und Wohlergehen des Individuums und der Gesellschaft orientieren und dazu beitragen.
  • Der Mensch und seine Persönlichkeit müssen respektiert werden und er muss die Möglichkeit haben sich weiterzubilden und seine Persönlichkeit zu entfalten.
  • Die Gesellschaft soll dazu beitragen, dass der Mensch seine Freiheit ausleben und seine Persönlichkeit entfalten kann.

Da ich einerseits keine Ahnung habe - aber andererseits hier versuche Links / Sozial & Liberal eine neue Sichtweise zu verpassen - freue ich mich über Feedback in Form von Komentaren oder Mail: 
Nils(at)Freie-Mediale.org


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